Teilnahme an der Arbeitstagung der Deutschen Epilepsievereinigung in Königswinter 2015

 

Rückblick Arbeitstagung 2015

 

Genderaspekte in der Behandlung und im Leben mit Epilepsie

 

19. Bis 21.06.2015 im Arbeitnehmerzentrum Königswinter

Sind Frauen nur kleine Männer? Bestimmt das Sein das Bewusstsein? Stellen Männer andere Fragen als Frauen? Mit dem Thema „Genderaspekte in der Behandlung und im Leben mit der Epilepsie“ beschäftigte sich die diesjährige Arbeitstagung der Deutschen Epilepsievereinigung (DE). Und trotz des etwas sperrigen Titels haben rund 80 Mitglieder und Interessierte den Weg nach Königswinter gefunden, um etwas über das „Gender Mainstreaming“ und die Zusammenhänge zu unserer Krankheit zu erfahren. Und – so die Rückmeldungen am Sonntagmittag: Es hat sich gelohnt.

Die Tagung wurde geleitet von Conny Smolny, Soziologin und Vorsitzende des Vereins dynamis aus Berlin, und Sybille Burmeister, Journalistin und Vorstandsmitglied der DE. Das Grußwort der Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen, Barbara Steffens, las der Vorsitzende Stefan Conrad vor, es ist in den „Einfällen“ abgedruckt und stellt eine Würdigung unserer Arbeit dar. Gleich der Freitagabend startete mit einem Einführungsvortrag von Conny Smolny, die den englischsprachigen Begriff „Gender“ überhaupt greifbar machte – in seiner Unterscheidung des „Geschlechts“ als sozialen Begriff und Festlegung auf etwas, das zunächst nur an biologischen Tatsachen festmacht. Auf Deutsch gibt es aber keine Unterscheidung. Gender Mainstreaming bedeutet Gleichstellung in allen Bereichen. In kleinen Arbeitsgruppen beschäftigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer – so viel Platz muss jetzt sein! – mit besonderen Ausprägungen: Den höheren Schäden, die Hurrikane mit weiblichen Namen anrichten, einer Vorschule in Schweden namens Egalia und dem „Rosa Inferno im Ü-Ei“, um nur einige Themen zu nennen.

Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Frauen und Männern im Leben mit Epilepsie ging Dr. Inge Weimar, Leitende Oberärztin für Neurologie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder (Trier) nach. Männern und Frauen sehen sich mit anderen Folgen durch die Diagnose konfrontiert: Schwangerschaftsverhütung ist oft „Frauensache“. So ging Weimar besonders auf die Folgen für Frauen ein, aber auch auf das Thema Berufsfindung und Ausübung in beiden Geschlechtern. Bei der Auswahl des Antikonvulsivums sollte immer auf die Lebensqualität geachtet werden, war ihr Fazit.

Dr. Hans Mayer, Neuropsychologe am Epilepsiezentrum Kehl-Kork, wollte in das Thema „Theorie und Praxis der Krankheitsbewältigung“ einführen. Gehen Frauen und Männer anders um mit der Diagnose? Sein Fazit: Die Probleme der Krankheitsbewältigung stellen sich für beide Geschlechter ganz ähnlich dar. Beide neigen dazu, in ihren „Bewältigungsstrategien“ auch sogenannte Fehlanpassungen vorzunehmen, die beispielsweise zu Depressionen oder Bindungsproblemen führen können.

Ingrid Coban, Sozialarbeiterin und Leiterin der Sozialtherapeutischen Dienste am Epilepsiezentrum Bethel, führte in die anschließenden Arbeitsgruppen ein, in denen sich nach Geschlechtern getrennt gefragt wurde, was sich konkret im eigenen Leben durch die Epilepsie geändert hat. Sie wurden moderiert von Klaus Göcke, Stefan Conrad, Martina Münzer und Andrea Schiller. Auch die Themen Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Selbsthilfegruppen und bei Beratungsgesprächen waren Themen im Laufe weiterer Workshops am Samstagnachmittag. Hier kamen Sylke Krug-Jäger (Bonn) und Juliane Schulz (Marburg) als Leiterinnen hinzu. Beide arbeiten in Epilepsie-Beratungsstellen, die an Universitätskliniken angesiedelt sind.

Der krönende Abschluss eines diskussionsreichen Tages war ein Auftritt des Rappers Graf Fidi aus Berlin, der sich selbst ironisch als „Inklusionskünstler“ bezeichnet und am 14. August seine nächste bei Motormusic produzierte CD herausbringen wird: „Ich mach das mit links“, so lautet auch einer seiner Rap-Songs, mit denen er das Publikum in dem eher nüchternen Tagungsraum aufmischte und zum Wippen brachte. „Rampensau“, „Let’s go – Bildung für alle“ oder „Vater und Sohn“ sind nur drei seiner Titel und ohne a capella dargebrachte Zugabe ließ das Publikum ihn nicht gehen: In „Verarscht“ nimmt er seine eigene Körperbehinderung und die Reaktionen darauf auf die Schippe.

Coban nahm sich am Sonntagvormittag nochmal die Frage vor, wie Geschlechtergerechtigkeit realisiert werden kann – später ging es in den Arbeitsgruppen um die Verwirklichung dieses Anspruches in der Selbsthilfe, auf politischer Ebene und im Versorgungssystem für Menschen mit Epilepsie. Hier mischten sich die Geschlechter in den Arbeitsgruppen wieder und überlegten auch grundsätzlich, wie beispielsweise die Selbsthilfe neue „Zielgruppen“ gewinnen könnte. Auf politischer Ebene lautete einer der Vorschläge, mehr Entscheidungsträger in die Gruppen einzuladen und einfach „lauter zu werden“. In der Arbeitsgruppe zum Thema Versorgungssystem für Menschen mit Epilepsie wurde ein Auftrag an die DE formuliert: Die Forderung, für Beratungsstellen in allen Bundesländern zu kämpfen. Hier muss zunächst eruiert werden, in welchen Städten und Kreisen es welche Beratungsmöglichkeiten gibt und wie sie finanziert werden. Als nächster Schritt sollte für eine Vereinheitlichung geworben werden – zum Wohle aller Epilepsiekranker.